digitales religonsbuch

Konfessionen — Kirche und Kirchen

aus Maria H. Duffner: „Digitales Religions Buch“ 2000–
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Die Ausbreitung des Christentums

Die Ausbreitung im 1. Jahrhundert

2. Die Ausbreitung durch die Apostel

2.1 „Missionsreisen“ des Apostels Paulus

Immer weiter werden die Apostel eingeladen — durch Empfehlungen werden sie weitergereicht. Die Apostelgeschichte (vom Apostel und Evangelisten Lukas aufgeschrieben, der lange Begleiter des Apostel Paulus war) berichtet ausführlich über die vier großen Fahrten des hl. Paulus, seine Abenteuer und wie sich durch sein Wirken die Frohe Botschaft ausgebreitet hat. (Apg 13 – 28). Paulus besuchte auf diesen Fahrten Syrien, Kilikien, Anatolien und Griechenland (er betrat damit europäischen Boden), die Inseln Zypern und Malta und erreichte schließlich als Gefangener Rom. Dort wurde er wahrscheinlich 67 n. Chr. in der neronischen Christenverfolgung hingerichtet.

2.2 Petrus

In der Apostelgeschichte ist bis zum Kap. 13 beschrieben, was Petrus und die anderen Aposteln getan haben, wo sie gewesen sind. Von Petrus wissen wir, dass er sich in Antiochien (Antakia) niedergelassen hat, bevor er dann — Jahre später — auch nach Rom gekommen ist. Sowohl in Antiochien als auch in Rom sind Zentren entstanden — geprägt durch die Autorität der Apostel, von wo nun weitere Gemeinden gegründet wurden. Diese Zentren waren so etwas wie Zentralen einer Filialkette. Gemeinden, die von Antiochien aus gegründet worden waren, haben sich in Fragen, in Streitfällen, später auch bei der Spendung des Weihesakramentes an die Zentrale gewendet, mit der sie in Verbindung standen.
Rom hat als Zentrale eine besondere Bedeutung bekommen:

  1. Der älteste der Apostel = Petrus lebte dort und ist dort gestorben;
  2. Es gab einen zweiten bedeutenden Apostel, der in Rom lebte und starb (Paulus) — also doppelte Bedeutung;
  3. Rom war die Kaiserstadt — also eine Machtzentrale. Das verlieh auch der christlichen Gemeinde eine besondere Bedeutung.

Der Papst ist als Bischof von Rom der Nachfolger des hl. Petrus. („Papst“ leitet sich vom griechischen Wort „Papas“ = Vater ab). Er ist als Bischof der „Zentrale“ auch zuständig für jene Gemeinden, die von Rom aus gegründet worden sind und damit in Rom in Kontakt stehen ... = römisch-katholische Kirche!

Auch das Zentrum von Antiochien (später mit einer berühmten Universität) ist eines das wichtigste Zentrum im Nahen Osten geworden. Der Nachfolger des Apostels Petrus ist der Patriarch von Antiochien. Die Gemeinden, die mit ihm in Kontakt stehen bilden die Syrische Kirche.


Von allen anderen Aposteln wissen wir nur aus der mündlichen Überlieferung, wo sie gewirkt haben. Dass sie nicht untätig waren, ist im ersten Teil der Apg überliefert. Für die heutige ökumenische Arbeit ist es aber wichtig, von diesen Überlieferungen gehört zu haben

2.3 Andreas

Der Überlieferung nach ist der Apostel Andreas (Bruder des Petrus; er hat Petrus zu Jesus gebracht), bis nach Byzanz/Konstantinopel/Istanbul gegangen und dort gestorben (Andreaskreuz). Später, unter Kaiser Konstantin, als das Fischerdorf zum Sitz des römischen Kaisers aufstieg, hat auch diese christliche Gemeinde eine größere Bedeutung bekommen.

Von Konstantinopel hat sich das Christentum auf dem Balkan (bis zur heutigen bosnisch-kroatischen Grenze = Grenze zwischen dem weströmischen und dem oströmischen Reich) und nach Russland ausgebreitet. Der Nachfolger des Apostels Andreas ist der Patriarch von Konstantinopel; er ist bis heute das Ehrenoberhaupt der Orthodoxen Kirche Auch andere Kirchen an der Schwarzmeerküste führen sich auf die Gründung durch den Apostel Andreas zurück: die Georgische Kirche und auch die Russische Kirche.

2.4 Markus

Der Apostel und Evangelist Markus war lange Zeit Begleiter des Apostel Petrus (vielleicht auch Dolmetscher), bevor er nach Alexandrien ging. Dort gab es eine große jüdische Gemeinde und eine berühmte Lehranstalt (mit unseren Unis zu vergleichen). Viel später haben die Venezianer die Reliquien des hl. Markus vor den Moslems nach Venedig „in Sicherheit“ gebracht (um nicht zu sagen, sie hätten sie geraubt); erst in den letzten Jahren wurde das Haupt des Apostels Markus nach Alexandrien zurückgebracht. Der Nachfolger des Apostels Markus ist der Patriarch von Alexandrien; die ägyptischen Christen = die Kopten haben sich das ganze Niltal hinauf ausgebreitet.

2.5 Matthäus

Der Überlieferung nach ist der Apostel und Evangelist Matthäus bis nach Edessa (heute Urfa in der Südostecke der Türkei) gekommen. Edessa war Zufluchtsort der 70 n. Chr. vertriebenen Juden. Edessa war aber als Ausgangspunkt der berühmten „Seidenstraße“ und somit eine wichtige Handelsstadt. Sehr bald entstand eine blühende Christengemeinde und ein sehr wichtiges Zentrum. 426 n. Chr. eroberten die persischen Sassaniden dieses Gebiet und riegelten die Grenze hermetisch ab. So entging es den Menschen westlich dieser Grenze, wie rasant sich das Christentum entlang der Seidenstraße ostwärts ausbreitete. Funde aus dem Jahr 1948 zeigten, dass es in China im Jahr 682 n.Chr., 100 Jahre später auch in Japan christliche Gemeinden gab. Der Mongolensturm des 13./14. Jhdts. Bereitete dieser Kirche, deren Zentrum so weit im Westen lag, ein jähes Ende. Auch in Edessa wurde die Kirche praktisch zerstört; der Nachfolger des Apostels Matthäus ist heute der Katholikos in Bagdad und das Oberhaupt der ostsyrischen/persischen Kirche (wird auch Kirche des Ostens genannt).

2.6 Thomas

An der Südspitze von Indien, im Bundesstaat Kerala finden wir Christengemeinden, die bis heute den Namen „Thomaschristen“ tragen. Über Handelswege kam das Christentum bereits im 2. Jhdt. bis an die Südspitze Indiens: Als Überbringer gilt der Apostel Thomas und seine Schüler. Sie stehen in Kontakt mit der Kirche von Antiochien, sind aber selbständig.

2.7 Judas Thaddäus und Bartholomäus

Im Kaukasus, im heutigen Armenien, finden wir die älteste Staatskirche, die Armenische Kirche vor. Sie führt sich auf die Missionsarbeit der Apostel Judas Thaddäus und Bartholomäus zurück. 80 Jahre bevor im römischen Reich das Christentum Staatsreligion wurde (381) wurde es in Armenien zur Staatsreligion erhoben.

2.8 Jakobus

Der Überlieferung nach ist der hl. Jakobus in Nordwestspanien gestorben und begraben worden. Sein Grab ist bis heute Ziel von vielen Wallfahrten (Santiago de Compostela)

2.9 Matthias

Der Apostel Matthias war als Ersatz für Judas Ischariot, der Selbstmord begangen hatte, in den Kreis der Apostel gewählt worden, damit die 12–Zahl wieder ergänzt war. Er soll bis Trier gekommen sein. Dort wird bis heute sein Grab gezeigt und verehrt.

2.10 Paulus

Paulus wird zu den Aposteln gezählt, obwohl er zu Lebzeiten Jesu nie zu diesem Kreis gezählt wurde. Sein Vater hatte sich das römische Bürgerrecht erkauft; so war er Jude mit römischer Staatsbürgerschaft. Religiös gesehen zählte er zu den Pharisäern; jener Gruppe, die sich um die Reinhaltung der Gesetze bemühten; denn nur wenn alle Gebote erfüllt sind, so sagt die Schrift, wird der Messias kommen und die Erlösung bringen. Jesus war vor allem mit den Pharisäern in Konflikt gekommen, denn das buchstäbliche Erfüllen des Gesetzes bewirkt oft das Gegenteil dessen, was gemeint ist. Jesus aber wollte darauf hinweisen, was hinter diesen Geboten steht: der Wunsch Gottes, dass die Menschen das Heil erfahren sollten. Und das bedingte immer wieder ein Handeln gegen den Buchstaben des Gesetzes; denn der Mensch und sein Wohlergehen stehen über, nicht unter dem Gesetz.

Paulus (das war sein römischer Name, sein jüdischer war Saul; beide Namen bedeuten „der Kleine“) war voll Eifer gegen jene losgezogen, die (scheinbar) gegen das Gesetz waren. Unterwegs „geht ihm ein Licht auf“ (dreimal wird in der Apostelgeschichte dieses Ereignis berichtet: einmal ist es nur ein Licht, einmal eine Stimme, einmal Licht und Stimme — die Stimme fragt: Saulus, Saulus, warum verfolgst du mich?). Paulus ist geblendet — im bildlichen Sinn: er muss das, was er da erkannt hat, erst verarbeiten — dazu braucht er Hilfe von außen wie ein Blinder, der geführt werden muss. Bei der Taufe „gehen ihm dann die Augen auf“, er sieht und erkennt, worum es dem Herrn und den Aposteln und all den Nachfolgern Jesu geht: dass Gott das Heil des Menschen will, dass er Ja zum Men-schen sagt, sodass die Menschen in und aus diesem Ja leben können. Und so wandelt sich Saulus zu Paulus. Fortan — um diesen Wandel zu charakterisieren — trägt er den römischen Namen (auf seinen Fahrten im römischen Reich ist das sicher auch vorteilhafter). Auf 4 großen Reisen bringt er die Frohbotschaft nach Kleinasien, Griechenland und Rom. Seinen Lebensunterhalt verdient er als Zeltmacher. Nach seiner dritten Fahrt wird er in Jerusalem in Zusammenhang mit einem jüdischen Aufstand festgenommen. Als römischer Bürger kann er aber den Kaiser appellieren — und so bringt man ihn gefangen nach Rom. Überlieferungen erzählen, dass er noch nach Spanien reisen konnte. Er soll aber in der neronischen Verfolgung 67 n. Christus durch das Schwert umgekommen sein. (Für einen römischen Bürger war dies die einzig mögliche Art der Hinrichtung).