digitales religonsbuch

Konfessionen — Kirche und Kirchen

aus Maria H. Duffner: „Digitales Religions Buch“ 2000–
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Die Orthodoxe Kirche (Die Kirche der 7 Konzilien)

Begriff
  • órthos(griech.) = wahr, richtig
  • dókeo(griech.) = glauben
  • doxázo(griech.)= verehren, rühmen

andere Konfessionsbezeichnung
Kirche der sieben Konzilien

Trennung
offizielles Datum: 16.Juli 1054: gegenseitiger Bann des päpstlichen Gesandten Kardinal Humbert von Silvacandida und Patriarch Michael Kerullarios

Aufhebung des Bannes:
7.Dezember 1965 durch Papst Paul VI. und Patriarch Athenagoras — einen Tag vor Beendigung des 2.Vatikanischen Konzils.

Gründe für die Trennung
  • Unverständnis für das griechische (östliche) bzw. lateinisch–römische (westliche) Christentum
  • die selbständige Auseinanderentwicklung
  • die Verwechslung von Einheit mit Uniformität
  • Machtstreben auf beiden Seiten.

Hindernisse zur Wiedervereinigung
  • Mentalitätsunterschiede und daraus resultierende Arroganz (vor allem das Überlegenheitsgefühl des Westens gegenüber dem Osten)
  • Politisch–kriegerische Greueltaten, die zwischen beiden Konfessionen in der Geschichte immer wieder vorgekommen sind
    • 1204: Eroberung Konstantinopels durch die Kreuzfahrer (4.Kreuzzug;)
    • 1453: Hilfe gegen Osmanen kommt zu spät; Konstantinopel wird erobert;
    • bis heute: Kroaten–Serben–Problematik usw.
    • Unierte Christen

Einigungsversuche
  • 1274: 2.Konzil von Lyon
  • 1431-1437: Konzil von Basel–Ferrara–Florenz: hier werden vor allem theologische Probleme geklärt. Eine Folge war die Union von Brest–Litowsk

Glaubensbekenntnis
Nicäno–Konstantinopolitanisches („großes") Glaubensbekenntnis

anerkannte Konzilien
Die ersten sieben Konzilien werden anerkannt

Theologische Unterschiede
  • zu Katholiken: keine
  • zu Evangelischen: in der Lehre

Weltbild
Die Theologie der Orthodoxen Kirchen ist nur verständlich vor dem Hintergrund des platonischen Denkens: Die Philosophie Platons ist deduktiv. Sie geht aus von der Existenz ewiger Ideen, deren Abbild die erfahrbare Wirklichkeit ist. Für den Menschen bedeutet das, dass das, was er hier erfährt, nur ein schwacher Abglanz der Ewigkeit ist. vgl. Höhlengleichnis.

Lehre
basiert auf der schriftlichen (Bibel: AT und NT) und mündlichen Überlieferung und der Tradition.
Große Wertschätzung der Kirchenväter (= große Theologen des 1.Jahrtausends)

Sakramente
es gibt sieben Sakramente
  • Zusammen mit der Taufe wird die Firmung und Kommunion gespendet
  • Prinzipiell gilt die Unauflöslichkeit der Ehe. Die Ehe kann aber geschieden werden; die kirchliche Wiederverheiratung ist nach einem Bußakt möglich
  • Priesteramtskandidaten können vor der Weihe zum Diakon heiraten.
  • Die Kirche selbst wird als Ursakrament verstanden

Ideal
Mönchtum
Klostergottesdienste (Vesper = kirchliches Abendgebet und Matutin = Morgengebet) werden wenn möglich in der Pfarre gebetet.

Gottesdienste
  • neben der Liturgie ("Messe") haben Gottesdienste aus dem klösterlichen Stundengebet besondere Bedeutung
  • Wortgottesdienste werden oft gefeiert (Totenfeier, Lobfeier = Te Deum, bei den Serben die Namenspatrone = Slava...)
  • die Predigt hat geringeren Stellenwert. Es gibt genug Texte, in denen Schriftstellen meditiert und aktualisiert werden.
  • es werden nicht nur Gehör (Texte und Lieder), sondern auch die Augen (Ikonen = Bilder) und der Geruchssinn (aromatisierter Weihrauch) angesprochen

Heilige
Es gibt Heiligenverehrung;
Heilige sind Menschen, die die Vollendung erreicht haben und durch die bereits während des irdischen Lebens Gott erfahrbar geworden ist.

Dogmen
sind Bekenntnisse der Großtaten Gottes, die in der Hl. Schrift festgehalten und deshalb nicht diskutierbar sind

Organisation
demokratischere Ordnung:
Landeskirchensystem; es gibt 15 autokephale (eigenständige) und 3 autonome (teilweise eigenständige) Kirchen.
Die Eigenständigkeit bezieht sich auf pastorale Fragen und Fragen der Verwaltung. In Glaubensfragen geschehen Entschei-dungen nach Übereinkunft mit den anderen Kirchen.
Den Ehrenvorrang (Ehrenprimat) unter den Kirchenoberhäuptern der Landeskirchen hat der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel.

Kirchliche Ämter
  • Bischöfe, Priester, Diakone
  • Diakon und Priester sind entweder verheiratet (die Ehe muss vor der Diakonatsweihe geschlossen werden) oder gehören einem Kloster an.
  • Bischöfe sind immer Mönche (ehelos); es können auch jene Priester Bischöfe werden, die verwitwet sind (sie schließen sich einem Kloster an);
    Bischofskandidaten sollten aber über eine gute Hochschul-ausbildung verfügen.

Stellung in der Ökumene
Die orthodoxe Kirche repräsentiert in der Kirche Jesu Christi die griechische Christenheit. Sie hat sich wie die lateinische (=römisch-katholische) Christenheit aus dem frühen Christentum entwickelt.

Verbreitung:
im 1.Jahrtausend: Verbreitung im Oströmischen Reich; Ausbreitung nach Russland... daher die Bezeichnung "Ostkirche"
heute: durch Auswanderung, Flucht und Gastarbeiter: Ausbreitung auf der ganzen Welt.

Anzahl
12,5% der Christen (etwa 4% der Weltbevölkerung) sind orthodox — das sind etwa 150 Millionen Menschen

Gottesverständnis
Obwohl Christus (=Gottesbild) als der Weltenrichter (Pantokrator) dargestellt wird, der den Menschen am Ende der Zeiten zur Rechenschaft ziehen wird, wird Gott immer als der verstanden, der das Heil der Menschen will. "Denn ein gütiger und menschenliebender Gott bist Du, und Dir senden wir Lobpreis empor: dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist, jetzt und immerdar und von Ewigkeit zu Ewigkeit."

Selbstverständnis
Gemäß dem Gottesverständnis hat die Kirche nicht strafende sondern heilende Aufgaben und soll dem Menschen auf seinem Weg zu Gott in seiner Schwäche entgegenkommen und ihn begleiten.
Die Kirche ist die um den Bischof versammelte Gemeinde, sie wird also in der Gegenwart erfahren.

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