digitales religonsbuch

Konfessionen — Kirche und Kirchen

aus Maria H. Duffner: „Digitales Religions Buch“ 2000–2009
Zuletzt bearbeitet am 13.02.2009. Ausdruck am 06.03.2009, um 21:32

Ablasshandel und Martin Luther

1. Vorbemerkung

Zum Verständnis dieses Problems ist es unabdingbar notwendig, sich der Prägung des lateinisch–abendländischen Denkens bewusst zu sein. Denn ohne das — das Abendland prägende — Römische Rechtsdenken wäre es so nie zu dieser Problematik gekommen. Das Römische Recht ist charakterisiert durch konsequent durchdachte „Strafsätze“ für straffällig gewordene Untergebene — wobei in der Handhabung des Gesetzes ein auffallendes Nord–Süd–Gefälle zu beobachten ist. Das bedeutet nicht, dass es im Oströmischen Reich — in der griechisch-orientalischen Tradition kein Gesetzbuch gegeben hätte; man ging mit Rechtsfällen pragmatischer um; oftmals erforderten Präzedenzfälle ein neuerliches Durchdenken der Rechtslage. (Eine ähnliche Struktur treffen wir heute in Großbritannien an)

2. Der Begriff „Ablass“:

Wird eine Straftat begangen, z.B. ein Ladendiebstahl, und man wird „erwischt“, so kommt es zur Anzeige und Verurteilung. Der Anklagte muss nicht nur das gestohlene Gut zurückgeben (Wiedergutmachung) sondern er muss auch noch eine angemessene Summe als Strafe für die Untat bezahlen. Diesen Rechtsvorgang haben die Christen auch auf das Verhalten gegenüber Gott übertragen: Wenn Unrecht begangen wird, so kann der Priester — Wiedergutmachung und der Wille zur Umkehr (Reue) vorausgesetzt — dem Gläubigen die Vergebung Gottes zusagen. Aber so wie im weltlichen Recht fand man eine Strafe — vielleicht auch als Hilfe zur Besserung — für angemessen. Eine solche „Strafe“ konnten Gebete, Almosen oder Wallfahrten sein. Bei besonderen Anlässen konnte der Papst — ebenso wie der weltliche Herrscher — eine teilweise oder eine Generalamnestie aussprechen. Dieser wird „Ablass“ genannt.

3. Ablasshandel

Um den Bau der neuen (modernen) Peterskirche in Rom finanzieren zu können, schrieb Papst Leo X im Jahr 1516 einen Ablassbrief aus. Dieser wurde in Europa wie ein Wertpapier (!) gehandelt. Es war im Verständnis der Gläubigen, dass Spenden, die den Bau einer Kirche ermöglichen, gute Werke sind – denn dadurch können Orte entstehen, wo der Mensch Heil finden kann (Taufe, Hochzeit, Vergebung …).

Der Dominikanermönch Johann Tetzel formulierte – unter der Annahme, dass die „primitiven Leute“ die hohe Theologie nicht verstehen, als „Werbeslogan“ den be-rühmten Satz: „Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt“. Daraus ergab sich das Missverständnis, dass man nur Geld spenden brauchte und die Sünden würden vergeben. Tatsächlich handelte es sich aber um jene oben erwähnte Generalamnestie von den Sündenstrafen.

Martin Luther und einige andere Theologen haben auf diese Gefahr hingewiesen und sind dagegen „zu Felde“ gezogen. Er war kein Gegner des Ablasses, wohl aber des Ablasshandels, dessen Gefahr des Missbrauches er deutlich erkannte!

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